Jahresabschluss beim St. Ingberter Literaturforum ILF

Hoch zufrieden zeigt man sich beim St. Ingberter Literaturforum (ILF) bei der Rückschau auf das zu Ende gegangene Lesungsjahr 2019. Zu zwölf Lesungen in der Stadtbücherei sowie Veranstaltungen außerhalb waren rund 700 Literaturinteressierte gekommen, um ein facettenreiches Angebot von Autorenbegegnungen und Buchvorstellungen zu erleben.

Den Auftakt bildete Shirley Herzer , die ihren im St. Ingberter Wassermann Verlag erschienenen Band „Wie gerne hätten Sie noch gelebt (Wilhelm Zeigers Briefwechsel mit St. Ingberter Soldaten im 1. Weltkrieg)“ in der Stadtbücherei vorstellte. Die komplette vielhundertseitige Briefsammlung Wilhelm Zeigers aus dem Nachlass ihrer Schwiegereltern beleuchtet eindrucksvoll die folgenschwere Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Leichtere Kost bot demgegenüber Elke Schwabs Krimilesung zu ihrem aktuellen Titel „Tief unter Wasser“, hier sorgten weibliche Protagonisten für einen unterhaltsamen Literaturabend.

Ein Brückenschlag über die Grenze gelang im Rahmen des Literaturfestivals „erLesen!“. Ein Erfolgsroman aus dem 19. Jahrhundert, ein gestandener Theatermann und erprobter Sprachvirtuose sorgten für ein starkes Publikumsinteresse, als Alphonse Walter seine überaus gelungene Neuübersetzung des Bestsellers „Freund Fritz“ präsentierte.

Ein Höhepunkt im Lesungsjahr war sicher der Auftritt des Freiburger Autors, Übersetzers und Essayisten Karlheinz Ott. Er stellte in der bis auf den letzten Platz besetzten Bibliothek seinen von der Kritik begeistert aufgenommenen sechsten Roman „Und jeden Morgen das Meer“ vor, eine subtile Studie über ein Frauenleben mit all seinen Höhen und Tiefen. In Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung Saarpfalz (KEB) waren der saarländische Dichter und Hölderlin-Preisträger Johannes Kühn und der Berliner Orgelvirtuose Christian Brembeck aus Anlass des 85. Geburtstags Kühns nach St. Ingbert gekommen. Die beiden Künstlerfreunde boten einem ebenso ergriffenen wie begeisterten Publikum durch das Zusammenwirken von Wort und Klang ein Hörerlebnis der besonderen Art.
In einer multimedialen Präsentation wurde der schön gestaltete Bildband „Bayern an der Blies – 100 Jahre bayerische Saarpfalz“ von Martin Baus, Bernhard Becker und Jutta Schwan vorgestellt. Die Herausgeber beleuchteten diese bedeutsame Zeit aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln, politisch, wirtschaftlich, kulturell und historisch. In fernere Weltgegenden entführte hingegen Harald F. Gregorius sein Auditorium, als er es mitnahm auf eine faszinierende Pilgerstrecke im hohen Norden Europas. Bei seinem bereits siebten Auftritt vor dem Literaturforum fesselte Klaus Brabänder, unterstützt von der Klangkünstlerin Tanja Endres-Klemm, erneut seine treue Lesergemeinde, dieses Mal mit „DreierPack“, der spannenden Geschichte um einen verzweifelten verlassenen Ehemann, seine in eine hoffnungslose Lage geratene Frau und ihren trickreichen Liebhaber. Von Weltenbauer, Werwölfen und Wandlungen war die Rede, als Benjamin Spang, Tanja Karmann, Carolin Summer, Carsten Schmitt, Anja Hansen und Heike Knauber einen spannenden Fantasyabend gestalteten und ihr Publikum auf eine Reise in fantastische Welten geleiteten. Aus Heidelberg kam Marcus Imbsweiler in die Mittelstadt, um seinen viel beachteten Roman „Achtundachtzig“ vorzustellen. Mit dieser Zeitreise in die 1980er Jahre gelang ihm hervorragend der mutige Versuch einer Auseinandersetzung mit dem heiklen Thema „Flugtagunglück von Ramstein“ mit den Mitteln der Spannungsliteratur. Der 60. Geburtstag des Erscheinens der „Blechtrommel“ war dem ILF ein willkommener Anlass, sich in Zusammenarbeit mit der KEB des Gesamtwerks von Günter Grass anzunehmen und das international gefeierte und verehrte Aushängeschild der deutschen Nachkriegsliteratur im Rahmen einer szenischen Lesung zu würdigen. Für diese komplexe Herausforderung konnten der Theologe Stefan Schwarzmüller und der Germanist Thomas Kuhn gewonnen werden, die ein überaus interessiertes Publikum mit einer szenischen Lesung begeisterten. Wie in den Vorjahren beschloss eine Lesung im Rahmen der polnischen Kulturtage das Arbeitsjahr. Nach ihren Auftritten in Salzburg und Basel war Martyna Bunda auf Einladung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Saar beim Literaturforum zu Gast. In der diesjährigen Lesung stellte Martyna Bunda ihren unter dem Titel „Das Glück der kalten Jahre“ bei Suhrkamp erschienenen Roman vor, aus dem Polnischen kongenial übersetzt von Bernhard Hartmann. „Das Glück der kalten Jahre“ ist eine weibliche Familiensaga von vier starken Frauen, die in den widrigen und politisch turbulenten Zeiten zusammenhalten und zahlreiche Schicksalsschläge zu bewältigen haben. Nach einer Winterpause sollen auch im neuen Jahr 2020 den interessierten Bürgern weitere Autorenbegegnungen und Buchpräsentationen vermittelt und dabei schwerpunktmäßig die Literatur von Schriftstellern aus der Großregion Saar-Lor-Lux gefördert werden, und das ganz im Sinne Fred Oberhausers, der das ILF im Herbst 1981 aus der Taufe hob. Diese Lesungen lockern den Bibliotheksalltag auf und verleihen der Stadtbücherei das Profil einer lebendigen Kultureinrichtung. Gerade auswärtige Gäste rühmen sie oft als facettenreichen kulturellenTreffpunkt, so ILF-Sprecher Jürgen Bost.

Fotos: Jürgen Bost und Sonja Colling-Bost